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Der Vorteil gegenüber Installationen auf freien Flächen: Es müssten keine Grundstücke erworben werden, das Gleisbett ist bereits erschlossen. Sun-Ways-Chef Scuderi sieht in dem schmalen Raum zwischen zwei Bahnschienen noch weitere Vorteile: Die Fläche sei gut zugänglich, eben, nicht bewachsen und habe durch die Bahnschwellen eine stabile Basis. Zusätzliche Eingriffe in Flora und Fauna seien nicht nötig; stattdessen könnten die brachliegenden Schienenzwischenräume sinnvoll für die Produktion nachhaltiger Energie genutzt werden.
Einige Fachleute sind von dem Projekt überzeugt. Martin Heinrich vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Europas größtem Solarforschungsinstitut, hält die Erzeugung von Solarstrom auf Bahngleisen für eine „großartige Idee“, wie er dem Schweizer Nachrichtenportal swissinfo sagt. Das Installationskonzept sei einfach und ressourcenschonend.
Deutscher Energieökonom: „Was für ein Quark“
Solarmodule zwischen Schienen gibt es zwar bereits in Deutschland, Italien, Frankreich und Japan. Das Schweizer Unternehmen hat jedoch erstmals ein Modell entwickelt, bei dem die Solarmodule schnell wieder entfernt werden können. Denn Gleise müssen regelmäßig gewartet oder ausgetauscht werden. Die Module von Sun-Ways können mit einer Spezialmaschine schnell verlegt und entfernt werden.
Dennoch war die Schweizer Verkehrsaufsicht lange skeptisch und hatte das Projekt noch im vorigen Jahr aus Sicherheitsgründen abgelehnt. Erst ein unabhängiges Gutachten überzeugte die Prüfer. Eine Einschränkung macht die Schweizer Aufsicht jedoch: Die Höchstgeschwindigkeit auf dem Pilotabschnitt darf lediglich 70 Stundenkilometer betragen, und die Testphase muss drei Jahre dauern.
Der deutsche Energieökonom Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin, glaubt nicht an den Erfolg. „Was für ein Quark“, schrieb Hirth vergangene Woche auf Linkedin. Er sei sogar bereit, um eine 100-Kilowatt-Solaranlage zu wetten: „Selbst wenn das irgendwann mal industriell ausgerollt werden sollte, wird es drei Mal so teuer wie die Solarparks, die wir heute schon bauen. Von Lebensdauer, Verfügbarkeit, Maintenance noch nicht mal gesprochen.“
Das große Zug-Ziel
Sun-Ways-Direktor Scuderi lässt sich von kritischen Stimmen ebenso wenig abbringen wie vom Regen bei der Eröffnung in Buttes: Das Schienen-Solarkraftwerks in Buttes soll der Startschuss für eine Revolution auf dem weltweiten Solarmarkt sein. Mit dem Pilotprojekt wolle das Start-up „Bedenken aus dem Weg räumen“, sagt Marketing-Chefin Elena Luzio zu FOCUS online Earth.
Mehr noch: Sun-Ways gibt sich davon überzeugt, dass Solarmodule wie in Buttes auf der Hälfte aller Bahnstrecken in der ganzen Welt installiert werden und einen wichtigen Beitrag zur Erzeugung von sauberem Strom liefern können. Das Start-up arbeitet bereits an ähnlichen Projekten in Rumänien, Spanien und Südkorea, mit potenziellen Partnern in China und den USA wolle man demnächst sprechen. Wenn Deutschland nur die Hälfte seiner 33.400 Kilometer Schienen mit Solarpanelen bestückt, ließen sich drei Gigawatt Strom produzieren, sagt das Unternehmen.
Und Scuderi denkt noch weiter: Langfristig wolle er den Strom, den er zwischen den Schienen erzeugt, wieder in die Züge einspeisen, sagte er gegenüber FOCUS online Earth. Das Ziel: „Nahezu 100 Prozent Eigenverbrauch.“
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