Ich bin nicht das, was man eine Generationenforscherin nennen würde. Hätte mir vor zwei Jahren jemand gesagt, dass ich ein Buch zur Generation Z und ihren skurrilen Verhaltensweisen schreiben würde, das ein „Spiegel“-Bestseller wird, hätte ich ihn „Fantast“ genannt. Ich bin zu dem Thema durch meinen Beruf gekommen.
Als Beraterin für das Gelingen von Veränderungsprozessen in Firmen gebe ich Empfehlungen, wie Generationen in der Arbeit gut miteinander auskommen und wie mit jungen Leuten umzugehen ist, damit sie nicht sofort wieder Leine ziehen. Denn viele hauen in den Sack, sobald winzige Schwierigkeiten auftauchen, sie einmal kritisiert werden, was für Hypersensible, die es zuhauf in der Generation Z gibt, schwer verdaulich ist.
Faule Gen Z: Woher kommt der Vorwurf eigentlich?
Sie merken schon wieder: Auch hier geht es um die negativen Eigenschaften, die der Generation Z – berechtigt oder unberechtigt – zugeschrieben werden. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Viele Urteile über junge Leute entsprechen der Realität. Es wird in Deutschland keine Personalabteilung mehr geben, die keine krude Forderung eines Z-lers oder einer Z-lerin erlebt hat.
Doch leider werden aus Urteilen rasch Vorurteile. Faul sind junge Leute nicht, wie ich schon einmal in einer Kolumne für FOCUS online darlegte . Trotzdem wird „faul“ stets an vorderster Stelle genannt, ohne dass mal jemand erklärt, von welchem seriösen Unternehmer oder Wissenschaftler der Vorwurf eigentlich stammen soll.
Susanne Nickel ist Rechtsanwältin, Wirtschaftsmediatorin und Expertin für Arbeit und Wandel. Ihre Erfahrung sammelte sie in ihrer langjährigen Tätigkeit als Managerin und Beraterin sowohl in nationalen als auch internationalen Unternehmen und Konzernen. Sie ist in fast allen DAX 30-Unternehmen viele Jahre ein- und ausgegangen. In ihrer Kolumne schreibt Susanne Nickel über gesellschaftliche Veränderungsprozesse und den Wandel in der Arbeitswelt.
Die jungen Leute saugen das Vorurteil auf
Fatal daran ist: Die Stereotype saugen auch junge Leute auf. Psychologen sprechen von „internalisieren“, was bedeutet, dass Betroffene das Image über sie verinnerlichen, also sich all das, was über sie richtiger- oder fälschlicherweise gesagt wird, in ihren Köpfen festsetzt mit der Folge: Sie glauben selbst daran, auch wenn es Unsinn ist. Oder sie sind sicher, ihr Gegenüber sei der Meinung, sie hätten keinen Bock , seien unfähig, vermessen und egoistisch.
Sie müssen sich einmal vorstellen – oder vielleicht kennen Sie es sogar in ähnlicher Weise –, was das mit einem Menschen macht, wie es für ihn ist, mit diesem Gefühl in der Arbeit zu sein, missachtet oder schief angesehen zu werden.
Kritik an Generation Z befeuert einen Teufelskreis
Das Ergebnis ist ein von mir schon länger vermuteter Teufelskreis, über den ich mir verstärkt Gedanken mache, weil er schlimme Auswirkungen auf das Miteinander von Jung und Alt in Unternehmen hat. Angehörige der Generation Z benehmen sich so, wie es ihnen vorgeworfen wird – entweder weil sie wirklich so sind. Oder aus Trotz, vielleicht sogar, um Erwartungen zu entsprechen. Das ist absurd. Aber der Mensch tickt so.
Das bringt mich ebenfalls in ein Dilemma: Wenn ich die schrägen Seiten der Gen Z weiter offen kritisiere, dann verstärke ich den Teufelskreis. Andererseits muss ich es tun, damit wir als Gesellschaft gegensteuern können. Die Wesenszüge junger Leute, die Unternehmen zu spüren bekommen, haben vor allem mit Erziehung daheim, in Kitas und Schule zu tun – es geht uns also alle an!
Gen Z fühlt sich durch Vorurteile eingeschränkt
Wie kam ich auf das Thema Teufelskreis? Vor einiger Zeit bereitete ich mich auf eine Generationen-Mediation in einem Unternehmen vor und schaute mir verschiedene aktuelle Umfragen an. Ich stieß auf das Ergebnis einer Erhebung des US-Bildungsportals „Intelligent“, das knapp 1000 Vollzeitbeschäftigte der Generation Z befragte, um herauszufinden, wie sehr „weit verbreitete Generationenklischees“ die Einstellung junger Leute zu Kollegen und eigenen Karrierevorstellungen beeinflussen. Und ich muss sagen: Das Ergebnis war erschreckend – und gibt mir leider bei meinen Befürchtungen recht, dass sich der Teufelskreis verfestigen dürfte.
80 Prozent der Teilnehmer – also 80 von 100 Leuten – gaben demnach an, dass gängige Stereotype über ihre Generation negative Auswirkungen für sie in der Arbeit hätten. Ob das wirklich in dem Ausmaß stimmt, lässt sich nicht sagen. Die Wahrnehmung ist natürlich rein subjektiv. Aber es spielt nicht die entscheidende Rolle. Denn selbst der Eindruck ist schon verheerend.
Verzogen, verweichlicht, verletzt: Wie die Generation Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt und uns zum Handeln zwingt
Fast die Hälfte der jungen Leute (48 Prozent) ist der Meinung, dass Urteile und Vorurteile über sie ihre Karrieremöglichkeiten einschränkten. „Viele sagen, dass ihnen Beförderungen, Gehaltserhöhungen und Möglichkeiten, sinnvolle Arbeit zu leisten, verwehrt wurden“, las ich. Geklagt wird in der Gen Z auch, dass ihre Vertreter unverhältnismäßig hart arbeiten müssten, „um ihr Führungspotenzial und ihre Zuverlässigkeit zu beweisen“.
Mehr anstrengen, um ernst genommen zu werden
Ungefähr ein Drittel der jungen Beschäftigten gab an, in jüngerer Zeit ihrer Vermutung nach aufgrund bestehender Überzeugungen über die Generation Z im Beruf zurückgewiesen worden zu sein. Das Portal hielt fest: „Tatsächlich erlebten die meisten Befragten erhebliche Herausforderungen am Arbeitsplatz, etwa das Gefühl, ihre Kompetenz im Vergleich zu älteren Kollegen unter Beweis stellen zu müssen (32 Prozent) oder unerwünschtes Mikromanagement zu erfahren (26 Prozent).“ Mit Letzterem ist gemeint, dass quasi jeder einzelne Schritt ihres Schaffens von Führungskräften beäugt und überprüft worden ist.
Fast 26 Prozent sind der Auffassung, dass ihnen als Folge der Gen-Z-Klischees der Zugang zur Karriereleiter verwehrt wird. 21 Prozent hatten das Gefühl, bei bedeutenden Projekten oder Verantwortlichkeiten übergangen worden zu sein. 20 Prozent erklärten, dass ihre Arbeit strenger begutachtet worden sei als die ihrer älteren Kollegen. Viele hatten der Umfrage zufolge den Eindruck, dass sie sich mehr anstrengen müssten, um ernst genommen zu werden. 17 Prozent Befragten beklagten sich, dass ihre Vorgesetzten kein Vertrauen in ihre Fähigkeiten hätten.
So entsteht psychischer Druck auf die Gen Z
Wie gesagt: Das sind alles Wahrnehmungen einzelner Individuen. Ob die älteren Kollegen und Vorgesetzten die Eindrücke bestätigen würden, sei dahingestellt. Und eins zu eins können die Ergebnisse einer Erhebung in den USA nicht auf Deutschland übertragen werden. Der amerikanische Arbeitsmarkt ist rabiater. Man muss auch davon ausgehen, dass die eine oder andere Führungskraft der Befragten sehr wohl Grund hatte, genau hinzusehen und misstrauisch zu sein – denn die Generation Z besteht bekanntlich nicht nur aus Überfliegern und Engeln.
So oder so belegen die Zahlen aber ganz klar: Da läuft einiges schief zwischen den Generationen. Wer als junger Mensch gegen das Gefühl ankämpft, dass seine Leistung von Älteren nicht gesehen und anerkannt wird, Z-ler sich – zumindest subjektiv – anstrengen und permanent über sich hinauswachsen (müssen), um negative Annahmen über sich entgegenzuwirken, steht unter psychischem und vielleicht auch physischem Druck, der der Gesundheit schadet. Das können wir alle nicht wollen.
Reibung zwischen den Generationen
„Wenn Mitarbeiter zu Unrecht als 'faul' oder 'anspruchsvoll' abgestempelt werden, kann das extrem demotivierend sein und zu einem Mangel an Selbstvertrauen beitragen, der ihnen neue Chancen verbauen kann“, sagte Huy Nguyen, der bei „Intelligent“ Chef der Themenbereiche Bildung und berufliche Entwicklung ist. Ich kenne eine Umfrage der Beratung Ernst & Young, in der 49 Prozent der Z-ler der These zustimmten, dass sie „weniger leistungsfähig“ sind als die älteren Generationen. Auch hier sehe ich den Teufelskreis: Die Selbsteinschätzung kann damit zu tun haben, dass sich das öffentlich gezeichnete Bild von der Generation Z in die Köpfe ihrer Vertreter schon so eingebrannt hat, dass sie tatsächlich davon ausgehen.
Das muss ganz einfach zu Reibungen und Konflikten zwischen den Generationen in einem Unternehmen führen. Wie gesagt: Wir müssen die schrägen Eigenschaften der Generation Z anprangern, weil das Verhalten junger Menschen der Volkswirtschaft schadet. Das ist so und kann nicht schöngeredet werden. Aber es muss sachlich bleiben. Auf das ewige Wiederholen der unsinnigen Vorwürfe, junge Leute seien faul und arbeitsscheu, sollten wir in jedem Fall verzichten. Denn das forciert nur den Teufelskreis.