Die EU verbietet ab 2035 alle neuen PKW mit Benzin-, Diesel-, Hybrid- und Gasantrieb. Auch die neue Bundesregierung wird, sofern SPD und CDU/CSU wie geplant eine Koalition zustande bringen, daran wahrscheinlich festhalten - im Gegensatz zu den Versprechen der CDU und von Friedrich Merz vor der Wahl . Darauf deuten die bisherigen Sondierungen hin. Während die Elektro-Lobby diese Politik begrüßt und auf neue Subventionen hofft, warnen Experten davor, Deutschland in die komplette Abhängigkeit von elektrischer Energie zu entlassen. Denn parallel zum Verbot neuer Verbrenner wird langfristig auch die Tankstelleninfrastruktur zurückgebaut. Noch schneller dürfte der Rückbau der Gasnetze vorangehen , nachdem die künftige Regierung die Energiepolitik der Ampel nicht nur übernimmt, sondern noch beschleunigen will.
Deutschland will reines Elektro-Land werden
In einem offenen Brief, der FOCUS online vorliegt, warnen jetzt rund 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter neben Motoren-Experten auch viele Professoren deutscher Universitäten und Hochschulen aus den Bereichen Fahrzeugtechnik, Verfahrenstechnik oder Chemie, vor einer zu unflexiblen Strategie. Sie fordern unter anderem die „Umkehrung der bereits begonnenen Deindustrialisierung durch Entbürokratisierung, Senkung der Energiekosten und maßgebliche Förderung von nachhaltigen erneuerbaren stofflichen Energieträgern für Transport (Kraftstoffe), Wärme (Brennstoffe) und Chemie (Basischemikalien)“, wie es in dem Brief heißt ( Link ).
Den Experten geht es zum einen darum, den Einsatz von PKW und Nutzfahrzeugen mit Benzin- Diesel- und Hybridantrieben langfristig zu sichern und sie durch den Einsatz alternativer Kraftstoffe auch in Einklang mit den Klimazielen der deutschen Regierung zu bringen. Diese nämlich sind mit der sogenannten Klimaneutralität bis 2045 deutlich ambitionierter als im Rest der EU, geschweige denn im Rest der Welt: Die USA etwa steigen aus dem Pariser Klima-Abkommen komplett aus und unterwerfen damit weder ihre Industrie noch ihre Bevölkerung künftig irgendwelchen Klima-Beschränkungen oder Verboten von Heizungs- oder Antriebsarten . Die Professorinnen und Professoren weisen zudem auf einen Aspekt hin, der im Zusammenhang mit der Elektromobilität selten auftaucht: Die Versorgungssicherheit in möglichen Krisen- und Kriegs-Szenarien. Wie das Beispiel Ukraine-Krieg zeigt, ist die Energieversorgung eines Landes oft das Ziel von Angriffen und Stromausfälle dann die regelmäßige Folge.
Ohne eigene Kraftstoff-Infrastuktur auch im Krisenfall Probleme
Initiator des Briefes ist Thomas Willner, Professor für Verfahrenstechnik an der HAW Hamburg. „Das Militär wird im Verteidigungsfall auf die kritische Raffinerie- und Tankstelleninfrastruktur angewiesen sein. Die neue Bundesregierung hat es in der Hand, die notwendigen Investitionen in den Erhalt der kritischen Infrastruktur sowie in deren Umrüstung auf alternative Kraft- und Brennstoffe durch geeignete Rahmenbedingungen auf den Weg zu bringen“, so Willner zu FOCUS online. „Eine Beschränkung der Verwendung stofflicher Energieträger auf kleine Bereiche (Luft- und Schifffahrt, Schwertransport, Militär, Polizei usw.) wird keine ausreichenden Investitionen zur Erhaltung der kritischen Infrastruktur zur Folge haben“, heißt in dem offenen Brief der Wissenschaftler. Dazu müsse auch die europäische Gesetzgebung „synchronisiert“ werden.