Flüchtlinge, Geld, Ukraine: Trumps 7 wichtigste Versprechen und was daraus wurde

Heute ist der 101. Tag der neuerlichen Präsidentschaft von Donald Trump. Über seine Performance gibt es Meinungen, Mythen und Fakten. 

Er selbst bevorzugt eine Mischung aus alledem. Bei seiner Rede um Mitternacht deutscher Zeit, gehalten am Macomb Community College in Warren, Michigan – einem Ort in der Nähe von Detroit, der zum Rust Belt der USA zählt –, lobte Trump vor allem Trump: 

"Das ist der beste 100-Tage-Start eines Präsidenten in der Geschichte."

Das Publikum, bestehend aus rund 4000 enthusiastischen Trump-Anhängern, jubelte ihm zu und skandierte mehrfach: 

"We love you, Trump!"

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Wer mit nüchternem Blick schaut und sich an die Fakten hält, kommt zu anderen Schlussfolgerungen als er. Hier Trumps sieben wichtigste Versprechen – und was daraus wurde:

Trump-Versprechen #1: „Vom ersten Tag an werden wir die Inflation beenden und Amerika wieder erschwinglich machen.“

Fakt ist: Die Geldentwertung wurde nicht beendet, aber sie hat sich verlangsamt. Und zwar von drei Prozent im Januar 2025 auf 2,4 Prozent im März. Trump verklärte den Teilerfolg heute Nacht zum Endsieg:

"Wir haben die Inflation bereits beendet."

Allerdings ist der Rückgang der Preissteigerungsrate nicht gleichbedeutend mit einem Rückgang der Preise, die wachsen nämlich weiter, nur nicht mehr ganz so schnell. Die Gesamtinflation betrug in den vier Jahren der Amtszeit Bidens 21,2 Prozent, wobei die letzten Daten vom Dezember 2024 stammen. Die Einkommen stiegen in dieser Zeit um nur 19,4 Prozent – also ein Wohlstandsverlust. 

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Die Notenbank bleibt trotz der aktuellen Inflationsrückgänge wachsam, weil sie durch den Zollkrieg des Präsidenten die Preisstabilität neuerlich bedroht sieht. Zinssenkungen sind Fed-Chef Jerome Powell derzeit zu riskant. Er kommt zu einem anderen Fazit als Trump: 

"Die Aussichten sind äußerst unsicher; es besteht ein erhöhtes Risiko, dass sowohl die Arbeitslosigkeit als auch die Inflation steigt."

Trump-Versprechen #2: „Das goldene Zeitalter Amerikas beginnt genau jetzt.“ 

Fakt ist: Das Wall Street Journal Survey of Economists rechnet mit einer Rezessionswahrscheinlichkeit von 45 Prozent in den kommenden zwölf Monaten. Der IWF hat seine Prognose für das BIP-Wachstum der USA für 2025 von 2,7 Prozent im Januar auf nunmehr 1,8 Prozent gesenkt. 

Zum besseren Verständnis: Bereits ein halbes Prozent weniger ökonomischer Output bedeutet für die US-Wirtschaft einen Wertverlust von 149 Milliarden Dollar.

Dazu kommt: Am Aktienmarkt hinterließ Trump Verwirrung und Wertverluste. Die 100-Tage-Bilanz der Wallstreet in einer Zahl: Minus acht Prozent beim S&P 500. Es war der schlechteste Börsenstart für eine neue Regierung seit den ersten hundert Tagen von Richard Nixon in 1973 und denen seines Nachfolgers Gerald Ford in 1974.

Trump ignorierte die Prognosen der Volkswirte und die Kursverluste der Wall Street und setzte dem heute Nacht seinen eigenen Forecast entgegen: 

"Wir geben euch die großartigste Wirtschaft in der Geschichte der Welt."

Versprechen #3: „Wir haben mit fast jedem Land ein Handelsdefizit – und wir werden das ändern.“

Fakt ist: Das Gegenteil passierte. Die Einfuhren von Waren und Dienstleistungen stiegen seit Jahresbeginn um 36,54 Milliarden Dollar auf 401,12 Milliarden Dollar. Das bedeutet ein Plus von zehn Prozent. Das Handelsdefizit vergrößerte sich demzufolge um über 25 Prozent auf 122,66 Milliarden US-Dollar.

Der Grund: Aus Angst vor höheren Zöllen stocken die Händler in den USA ihre Warenlager auf. Den Exporteuren hingegen gelang es nicht – auch wegen der Kaufzurückhaltung in China –, ihre Produkte vermehrt loszuschlagen. Die Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen haben laut dem US-Handelsministerium seit Jahresbeginn mit rund zwölf Milliarden US-Dollar nur um knapp fünf Prozent zugelegt. 

Trump versuchte, die Besorgnisse von Exporteuren und Importeuren heute Nacht zu zerstreuen: 

"Sie kommen aus der ganzen Welt, um euren Präsidenten zu sehen. Sie wollen einen Deal machen. […] Wir werden Deals machen – aber wir müssen nicht. Wir sind diejenigen, die das Produkt haben."

Mit Blick auf China betonte er: 

"Sie wollen einen Deal machen. […] Aber es wird ein fairer Deal – kein Deal, bei dem wir eine Billion Dollar pro Jahr verlieren."

Das dürfte zumindest die Nerven der Börsianer in Europa und den USA heute Morgen beruhigen.

Auch die Autoindustrie kann etwas aufatmen: Per Dekret hat Trump verfügt, dass künftig nur noch ein Zolltarif gilt – entweder 25 Prozent auf importierte Fahrzeuge oder auf Materialien wie Stahl und Aluminium. Davon profitieren auch Hersteller wie BMW und Mercedes, die in den USA produzieren.

Trump-Versprechen #4: „Wir werden die Grenze schließen. Wir werden die Invasion von Illegalen in unser Land stoppen.“

Fakt ist: Trump hat dieses Versprechen erfüllt. Der Ansturm von Migranten an den Außengrenzen der USA flachte drastisch ab. Der März war der zweite Monat in Folge, in dem die US Border Patrol den niedrigsten Tagesdurchschnitt an Festnahmen in der Geschichte verzeichnete: 264 pro Tag. Das sind 20 Prozent weniger als die 330 täglichen landesweiten Festnahmen im Februar und 94 Prozent weniger als der Tagesdurchschnitt von 4.488 Festnahmen im März 2024 unter Biden.

Von Mexiko aus versuchten im vergangenen Monat insgesamt 11.017 Menschen vergeblich, in die USA zu gelangen. Im März vor einem Jahr waren es fast 190.000. Trump präsentierte diese Entwicklung in seiner Rede als historischen Erfolg: 

"Wir haben die sicherste Grenze in der Geschichte Amerikas geschaffen. Und zwar mit Abstand."

Diese Wirkung erzielte Trump auch durch massive Abschreckung. Medial hat man Deportationen, auch die von Familien mit Kindern, effektvoll in Szene gesetzt. Laut Aussagen des Weißen Hauses wurden in den ersten 100 Tagen rund 139.000 Menschen, vornehmlich nach El Salvador, Guatemala und Honduras, ausgeflogen. Grundlage dieser sogenannten „Deportation Flights“ waren Rückführungsabkommen, die der Außenminister verhandelt hatte. Trump beschrieb das martialisch und schnörkellos: 

"Wir setzen Massenabschiebungen durch – und das geschieht sehr schnell."

Versprechen #5 : „Ich werde den Ukraine-Krieg beenden, das Chaos im Nahen Osten stoppen und den Dritten Weltkrieg verhindern.“

Fakt ist: Der Dritte Weltkrieg ist in der Tat bisher nicht ausgebrochen. Für ein schnelles Ende des Ukraine-Krieges hat sich Trump zumindest engagiert, wenn auch bisher erfolglos. Telefonate mit Putin, mehrere Treffen mit Selenskyj führten nicht zum Ziel. Diskutiert wird derzeit ein auf zwei Tage begrenzter Waffenstillstand. 

Trump ist zunehmend genervt. Nach dem Treffen mit Selenskyj in Rom auf Truth Social schrieb er:

"Es gibt mir zu denken, dass Putin den Krieg vielleicht gar nicht beenden will, sondern mich nur an der Nase herumführt."

Trumps Problem: Die Ukraine will das verlorene Territorium nicht abtreten, Russland das gewonnene Gebiet nicht räumen. Plus: Wer garantiert künftig die Unabhängigkeit der Ukraine, wenn Amerika sich zurückzieht und die Nato nicht zuständig ist? 

Trump-Versprechen #6: „Das Ziel ist eine weitere Verkleinerung der Regierung.“

Fakt ist: Das von Elon Musk geführte Department of Government Efficiency (Doge) hat zu Massenentlassungen von Bundesangestellten geführt. 32.000 Bundesbedienstete mussten laut Schätzungen mittlerweile gehen. Die größte Einsparung wurde im Department of Health and Human Services gemacht, wie das Department selbst mitteilt. Trump feierte die Gründung dieser Behörde als persönlichen Coup:

"Das war eine große Sache. Die Zahlen sind wirklich unglaublich. DOGE."

Die offizielle Seite des Doge rechnet damit, 160 Milliarden Dollar im Fiskaljahr 2026 und somit 993 Dollar pro Steuerzahler einzusparen. Das entspricht aber nur knapp 15 Prozent der ursprünglich versprochenen eine Billion Dollar pro Jahr. Insgesamt gibt die USA-Bundesregierung knapp sieben Billionen Dollar pro Jahr aus.

Vorsicht Zahlentrick: Die NGO Partnership for Public Service rechnet die Kosten der Aktionen dagegen. Sie kommt zu dem Schluss, dass Entlassungen, Gerichtskosten und bezahlter Urlaub alleine in diesem Haushaltsjahr mit über 100 Milliarden Dollar zu Buche schlagen werden. 

Dadurch miniaturisiert sich der Einspareffekt. Experten gehen davon aus, dass ein systematischer und über viele Jahre verteilter Personalabbau mehr bringt als die einmalige Kettensägen-Aktion von Musk.

Trump-Versprechen #7: „Wir holen die Wokeness aus unseren Schulen und aus unserem Militär. Wir wollen es nicht. Wokeness bedeutet Ärger. Wokeness ist schlecht.“

Fakt ist: Trump bleibt dran und will den Kulturwandel, den er versprochen hat, herbeiführen. So strich er in einer Art Musterprozess 2,2 Milliarden Dollar Bundesförderung für die Elite-Universität Harvard, die, wie er sagt, „fast ausschließlich woke, linksradikale Idioten und ‚Spatzenhirne‘ eingestellt“ habe.

Weitere Budgetkürzungen und Anforderungen folgten für Organisationen, die bei ihm unter „wir werden sämtliche Programme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion in der gesamten Bundesregierung beenden“ fallen. Trump formulierte drastisch: 

"Wir haben diesen gesetzlosen, sogenannten Diversity-, Gleichheits- und Inklusions-Bullshit in der gesamten Bundesregierung und im privaten Sektor beendet."

So haben Behörden laut einer Zusammenstellung der New York Times Hunderte von Wörtern markiert, die eingeschränkt oder vermieden werden sollten. Darunter: LGBTQ, Geschlechter, Gender Ideologie, biologisch weiblich, sexuelle Vorliebe, Antirassismus.

Viele der großen US-Unternehmen haben unmittelbar beigedreht und ihre Firmenkultur angepasst. So wie Meta-CEO Mark Zuckerberg, der die Verbreitung einer „kulturell kastrierten“ Firmenkultur, in der es zu sanft zuginge, beklagt. Oder Walmart, die kurz nach der Trump-Wahl ihr Zentrum für „racial equity“ und eine Diversity-Initiative einkassiert haben.

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Fazit: Trump bleibt Trump, scheinbar. Auch heute Nacht in Michigan wurde wieder gegrummelt und gegiftet. Der Präsident hatte als Volkstribun seinen Auftritt. Doch der Panzer der Selbstliebe hat seine durchlässigen Stellen. Jenseits der populistischen Worte kommt es zu realpolitischen Anpassungen - aktuell in der Zollpolitik. Trump interpretiert Trump, durchaus auch auf der Basis von Fakten. Das ist die Hoffnung der ersten 100 Tage.