Persönliche Energiewende im Eigenheim: Wie eine deutsche Familie 90 Prozent ihrer Stromkosten einsparen konnte

Während viele Bürger über ihre Stromkosten klagen, kann Familie Voll entspannt die Stromrechnung öffnen. Nur 163 Euro mussten Norbert Voll und seine Frau im vergangenen Jahr für Strom bezahlen. Und das trotz Elektroauto und 350-Quadratmeter-Haus in der Nähe von Göttingen. Möglich macht das eine Kombination aus Photovoltaik, Stromspeicher, Elektroauto, einem dynamischen Stromtarif  – und einer intelligenten Steuerung, die auf Preissignale des Strommarktes reagiert. Doch kann das ein Modell für viele sein?

Seit Anfang des Jahres müssen deutsche Stromversorger dynamische Stromtarife anbieten. Anders als bei klassischen Stromverträgen gibt es hier jedoch keinen festen Arbeitspreis pro Kilowattstunde. Denn die Strompreise der dynamischen Tarife richten sich nach Angebot und Nachfrage an der Strombörse  – konkret am "EPEX Spot Markt". Sinkt der Börsenpreis, wird Strom für Verbraucher günstiger. Steigt er – etwa in einer Dunkelflaute – wird es teuer. Ein Risiko, was auch Norbert Voll wissentlich eingegangen ist. 

Die persönliche Energiewende der Volls

Eigentlich wollte Familie Voll ihre alte Ölheizung im Jahr 2020 durch eine Sole-Wasser-Wärmepumpe ersetzen. Doch das Vorhaben scheiterte –  erst an der Verfügbarkeit einer Bohrfirma, dann an den explodierenden Kosten. „Plötzlich hieß es, dass der Einbau der Sole-Wasser-Wärmepumpe bis zu 100.000 Euro kosten würde. Das war selbst bei 50 Prozent Förderung wirtschaftlich nicht sinnvoll“, sagt Norbert Voll. Die Familie legte das Projekt Heizungstausch erst einmal auf Eis –  und überlegte, was sie stattdessen tun könnte.

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Erst drei Jahre später schmiedeten die Volls den nächsten Plan: Ausschlaggebend war eine Aktion des Energieversorgers "1Komma5Grad", der ein Komplettpaket mit Photovoltaikanlage, Stromspeicher, Wallbox und intelligenter Steuerung für rund 22.000 Euro anbot –  inklusive der ganzen Installation. Die KfW-Förderung senkte den Preis für das Komplettpaket auf 13.650 Euro. „Das war der Preisrahmen, den wir uns vorgestellt hatten“, erinnert sich Norbert Voll.

Das Ergebnis: Seit der Inbetriebnahme im Oktober 2023 versorgt sich das Haus zu 70 Prozent selbst mit eigenem Strom. Dank der Südausrichtung des Dachs produziert die Solaranlage zuverlässig Strom. Der Eigenverbrauch wird durch einen Speicher optimiert –  und durch einen dynamischen Stromtarif ergänzt. Vor allem im Sommer profitiert das Ehepaar: In einem Monat lagen die reinen Stromkosten bei nur drei bis vier Euro, hinzu kamen rund 30 Euro an Stromnebenkosten wie Netzentgelte oder Stromsteuer.

Jetzt zahlt Göttinger Familie 92 Prozent weniger für ihren Strom 

Norbert Voll hatte sich das gut überlegt. Der ehemalige IT-Berater ist ein Freund von Zahlen und erklärt im Interview mit FOCUS online, dass er eine detaillierte Kostenaufstellung gemacht hat. Die Kosten der Anlage, Förderung, ihr Stromverbrauch, die Kosten des alten Stromvertrags und die Kosten nach einem Jahr dynamischem Stromtarif mit intelligenter Steuerung - er hat alles durchgerechnet.

"Vorher habe ich 2261,99 Euro im Jahr für Strom bezahlt", erklärt Voll. Jetzt, ein Jahr nach der persönlichen Energiewende im Eigenheim, zahlt die Familie aus Göttingen nur noch 165,89 Euro Strom im Jahr. 92 Prozent der Stromkosten sparen die Volls, weil ihr Haus jetzt zu 70 Prozent autark ist und sie dank des dynamischen Stromtarifs ihren gespeicherten Strom auch dann ins Netz einspeisen und damit Geld verdienen, wenn der Strom knapp ist.

Weiter erklärt Voll: „Uns hat immer gestört, dass der Strom in Deutschland produziert und dann der überschüssige Strom billig verkauft oder verschenkt wird. Mit dem dynamischen Tarif und unserem Energiemanagement-System können wir den Strom günstiger nutzen.“ 

Zwar schwanken die Preise – zum Beispiel bei Dunkelflauten – aber mit dem Speicher kann gezielt günstiger Strom eingekauft und später genutzt werden. Langfristig spart Familie Voll. Statt 35 Cent pro Kilowattstunde zahlten die beiden Rentner im vergangenen Jahr durchschnittlich nur noch 7,78 Cent. 

Hohe Anfangsinvestition und technologische Anforderungen

„Es sind schon anfänglich hohe Investitionskosten, die auf uns zugekommen sind. Aber nach zehn Jahren hat sich das amortisiert. Dann überwiegen die Einsparungen unsere Investition“, ist Norbert Voll überzeugt. Allerdings stellen solche hohen Anfangsinvestitionen eine Herausforderung dar. Nicht jeder Haushalt kann oder will mehrere tausend Euro für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage, eines Stromspeichers und eines intelligenten Steuerungssystems ausgeben.

Auch die Technik ist nicht jedermanns Sache: Wer den dynamischen Tarif voll ausnutzen will, braucht einen „intelligenten“ Stromzähler, dessen Rollout in Deutschland noch auf sich warten lässt. Ohne Smart Meter funktioniert aber auch keine automatische Steuerung, die den Stromverbrauch in Echtzeit in der App an die günstigsten Zeiten anpasst. Für Haushalte, die weniger technikaffin sind oder ihren Stromverbrauch nicht flexibel steuern können, dürfte dieses Modell daher schwer umsetzbar sein.

Sparen mit dynamischen Stromtarif – was Sie dazu wissen müssen

Wer seinen Strom dynamisch beziehen will, kann dabei Geld sparen –  vorausgesetzt, das Haus ist technisch vorbereitet. Zu Zeiten niedriger Strompreise, etwa nachts oder bei hoher Einspeisung durch Wind- und Solaranlagen, lässt sich der Stromverbrauch gezielt verlagern. Notwendig dafür sind ein intelligenter Stromzähler (Smart Meter) sowie die Bereitschaft, den eigenen Alltag teilweise an den Strompreisschwankungen auszurichten.

  • Lassen Sie sich von einem Energieberater unterstützen.
  • Lassen Sie prüfen, ob Ihr Zähler schon „smart“ ist – oder nachgerüstet werden kann.
  • Vergleichen Sie Anbieter, die dynamische Tarife mit Tagespreistransparenz anbieten.
  • Planen Sie ggf. die Investition in Speicher, PV und smarte Steuerung.
  • Beobachten Sie Ihren Verbrauch – und lernen Sie, wann Strom am günstigsten ist.

Holger Rohde von der Stiftung Warentest sieht in den dynamischen Stromtarifen großes Potenzial –  vor allem für Haushalte mit Elektroautos oder Wärmepumpen, deren Verbrauch sich gut steuern lässt. Schon mit etwas Flexibilität lassen sich beim Wäschewaschen rund zehn Euro im Jahr sparen, erklärt der Experte gegenüber der „Tagesschau“. Wer sein Elektroauto gezielt zu günstigen Zeiten lädt, kann sogar bis zu 150 Euro pro Jahr sparen. 

Das dynamische Modell hat aber auch seine Tücken: In Strom-Flautezeiten schnellen die Preise an der Börse in die Höhe –  und werden direkt weitergegeben. Der Clou liegt deshalb in der Technik: Automatisierte Systeme mit künstlicher Intelligenz wie bei Familie Voll reagieren blitzschnell auf Preisschwankungen und meiden teure Zeiten konsequent. „

Selbst im vergangenen Dezember, als es zwei Dunkelflauten-Tage gab, haben wir nur 31 Cent pro Kilowattstunde bezahlt, weil unsere KI-Anlage extra in den kurzen günstigen Stunden an der Börse eingekauft und den Speicher aufgefüllt hat“, sagt Voll.

Die smarte Energiewende: Wie Familie Voll Kosten senkt und Klima schont

Für Norbert Voll war die Entscheidung zur persönlichen Energiewende mehr als eine Kostenfrage – sie war auch eine Frage der Haltung, die sie sich leisten wollten. Nicht nur Klimaschutz, Unabhängigkeit vom Strommarkt und die Aussicht, dauerhaft Geld zu sparen, motivierten ihn und seine Frau, ihr Haus energetisch umzurüsten. 

Heute richtet sich der größte Stromverbrauch der Familie nach Preisprognosen: Wenn der Strom günstig ist – etwa nachts oder bei starkem Wind – lädt ihre KI-getriebene Anlage das Elektroauto für sie. "Ich stecke einfach nur mein E-Auto an und sag der App, dass das Auto bis morgen zu so oder so viel Prozent aufgeladen sein soll. Den Rest erledigt die KI –  auf dem günstigsten Weg."

Dahinter steht eine automatisierte Steuerung, die die Strompreise in Echtzeit beobachtet und energieintensive Geräte bevorzugt zu günstigen Zeiten betreibt. Für die Familie Voll bedeutet das nicht nur eine Entlastung beim Strompreis, sondern auch ihren persönlichen Beitrag zur Energiewende.