Auen schützen – über Grenzen hinweg

Morgenstimmung in den Elbauen bei Wörlitz © picture alliance / imageBROKER | Andreas Vitting

Die Natur schützen und andere Menschen dafür begeistern, dies ebenfalls zu tun – das gehört für Victor Geißler zur Jobbeschreibung. Der Biologe arbeitet beim Bund für Umwelt und Naturschutz  (BUND) in Dresden. Und genau darum geht es auch in dem deutsch-tschechischen Naturschutzprojekt „Gemeinsam für lebendige Elbauen“, das Geißler betreut – zusammen mit Kolleginnen und Kollegen des Umweltzentrums Dresden, der Ortsgruppe Dresden-Neustadt des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) und des tschechischen Naturschutzverbandes ČSOP aus Litoměřice. Das Ziel: In grenzübergreifender Kooperation Lebensräume im Elbtal zu erhalten und wiederherzustellen – und in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Bedeutung des Auenschutzes zu schaffen. „Die Auenlandschaft der Elbe ist nicht nur ein schönes Naherholungsgebiet, sondern auch sehr wichtig für die Artenvielfalt und den Hochwasserschutz“, sagt Geißler. 

Das Wort „Aue“ ist verwandt mit dem lateinischen „aqua“, Wasser, und bezeichnet Uferlandschaften von Bächen und Flüssen. Dort, wo es noch naturnahe Auenlandschaften gibt, beherbergen sie Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren, „die es vertragen, nasse Füße zu bekommen“, so Geißler. „Ein Auenwald kann mehrere Wochen am Stück im Jahr überflutet sein, ohne dass den Pflanzen die Wurzeln abfaulen. Das können andere Pflanzengemeinschaften nicht. Wenn ein normaler Wald länger überflutet wäre, könnten die Bäume absterben.“

Lebensraum für besondere Arten

Das macht Auenwälder zu besonderen Ökosystemen. Sie speichern fast doppelt so viel CO₂ wie ein Durchschnittswald. Sie bieten Lebensraum für viele besondere Arten – seltene Vögel, Fledermäuse, Amphibien, Reptilien, Insekten. Und sie sind ein hervorragender natürlicher Hochwasserschutz, bremsen die Wucht der Wassermassen bei Überflutungen, nehmen das Wasser wie ein Schwamm auf und speichern es für Dürrezeiten.

Doch heute ist nur noch ein Prozent der einstigen Auenfläche vorhanden. Durch Flussbegradigungen und die intensive Nutzung durch Landwirtschaft, Verkehr und Tourismus verschwand der größte Teil der natürlichen Lebensräume. Das gilt auch für die Elbe zwischen Litoměřice und Dresden. „Früher hatte die Elbe viele Schleifen. Allein im Dresdner Stadtgebiet gab es 18 Inseln, von denen heute nur noch die Pillnitzer Elbinsel übrig ist“, erläutert Geißler. „Weil Auen als natürliche Überschwemmungsgebiete fehlen, haben wir bei Hochwasser schnell den Fluss im Keller.“

Auftakttreffen des Projekts in Litoměřice © BUND Regionalgruppe Dresden

Den negativen Trend an der Elbe umkehren

Das Projekt „Gemeinsam für lebendige Elbauen“ will diesen Trend umkehren. Die Lebensräume im Elbtal sollen erhalten, aufgewertet und möglichst vergrößert werden. „Dazu pflanzen wir auentypische Baumarten, bekämpfen invasive Pflanzenarten und unterstützen bedrohte Tierarten“, heißt es beim Umweltzentrum Dresden. Das grenzübergreifende Projekt wird durch das europäische Förderprogramm Interreg finanziert und läuft über drei Jahre.

Zum Projektstart 2024 reisten die Naturschützer aus Dresden ins rund 100 Kilometer entfernte tschechische Litoměřice. „Es war beeindruckend zu sehen, wie viele Auenflächen und Inseln direkt im Flussverlauf es dort noch gibt“, erzählt Geißler. Seitdem tauschen sich die deutschen und tschechischen Umweltschützer regelmäßig aus. Auf allen Flächen, auf denen die Projektpartner arbeiten, erfassen sie zunächst die vorhandenen Arten, um in enger Abstimmung herauszufinden, welche bedrohten oder relevanten Arten es gibt und welche wieder angesiedelt werden könnten. 

„Der grenzübergreifende Aspekt ist uns besonders wichtig“, sagt Geißler. „Wir organisieren zum Beispiel diesen Sommer ein deutsch-tschechisches Jugendcamp. Es kommen jeweils zur Hälfte deutsche und tschechische Jugendliche, diesmal in Tschechien, nächstes Jahr in Deutschland.“ Dabei soll es unter anderem um Umweltbildung gehen, außerdem werden die Teilnehmenden die Auen von Müll befreien.

Pflanzaktionen im Frühjahr und Herbst

Solche Aktionen gibt es auch in Dresden regelmäßig. Dabei werden Müll und Plastikabfälle, die nach einer Überflutung in der Auenlandschaft hängen bleiben, aufgesammelt, getrennt und entsorgt. Und es gibt Pflanzaktionen, vor allem im Frühjahr und Herbst, bei denen Schwarzpappeln angepflanzt werden, um den Bestand an Auenwäldern zu erhalten und möglichst zu erweitern. 

Auch die Politik hat den Auenschutz im Blick. Das Bundesland Sachsen beispielsweise hat ein Auenprogramm gestartet, bei dem „schrittweise ausgewählte, geeignete Flussabschnitte wieder mit ihren natürlichen Überschwemmungsflächen verbunden werden sollen“ – um dem Fluss mehr Raum zu geben und so zu einer besseren Hochwasservorsorge beizutragen.