Die neue Bundesregierung steht eigentlich auch vor der Aufgabe, das Rentensystem für die Zeit nach 2030 fit zu machen. Doch einer großen Rentenreform verweigert sie sich im Koalitionsvertrag. Stattdessen sollen Kleinigkeiten geändert werden: Die Aktivrente für arbeitende Senioren kommt ebenso wie die Mütterrente III für Eltern von Kindern, die vor 1992 geboren wurden. Zudem soll die Haltelinie von 48 Prozent für das Rentenniveau bis 2031 garantiert werden – was steigende Beiträge bedeutet. Und Selbstständige müssen jetzt unter bestimmten Umständen in die Rentenkasse mit einzahlen. Innovativstes Projekt ist die neue Frühstart-Rente, bei der der Staat zehn Euro pro Kind und Monat in einem Fonds anlegt, der zur Altersvorsorge dienen soll.
International dürfte das keinen Rentenexperten vom Hocker hauen. Im Vergleich mit anderen Ländern rangiert unser System schon jetzt bestenfalls im oberen Mittelfeld. Im letztjährigen Global Pension Index der US-Unternehmensberatung Mercer belegt Deutschland den 20. Platz von 48 untersuchten Ländern. Damit liegen wir zwar deutlich etwa vor dem oft gepriesenen Österreich, das nur auf Platz 40 kommt, und auch etwa vor Spanien, China und den USA. Doch zur Spitze fehlt uns einiges. Von 100 möglichen Punkten holt Deutschland im Ranking nur 67,3. Der Spitzenreiter landet bei 84 Punkten, die Top Vier allesamt bei mehr als 80. Wer hat also die besten Rentensysteme der Welt – und was machen diese Länder anders?
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1. Niederlande
Ganz vorne im Index stehen unsere holländischen Nachbarn. Sie setzen vor allem auf zwei Säulen. Die erste ist eine Grundrente, auf die jeder Anspruch hat. Sie ähnelt der deutschen Grundsicherung im Alter, wird aber statt aus Beiträgen voll aus Steuern bezahlt. Das macht sie nicht günstiger oder teurer, das Geld kommt nur aus einem anderen Topf als in Deutschland. Die Grundrente beträgt rund 70 Prozent des Mindestlohns und muss versteuert werden, wobei die Abgaben gering sind. In Deutschland entspräche das rund 1550 Euro Grundrente pro Monat. Allerdings muss der Anspruch darauf in den Niederlanden einfach dadurch erworben werden, dass man Zeit im Land verbringt. Für jedes Jahr mit Wohnsitz in den Niederlanden sammeln Sie einen Anspruch auf zwei Prozent der Grundrente – nach 50 Jahren gibt es also den vollen Betrag.
Hinzu kommt für die arbeitende Bevölkerung noch eine Betriebsrente, für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie in Deutschland Beiträge zahlen; sie schwanken zwischen 15 und 25 Prozent des Bruttolohns. Die Beiträge werden angelegt und dann im Ruhestand ausgezahlt.
Vorteile: Die Grundrente allein sorgt bereits dafür, dass die Quote der Altersarmut in den Niederlanden mit rund fünf Prozent um zwei Drittel niedriger ist als in Deutschland. Zusammen mit den Betriebsrenten kommen Menschen nach 40 Jahren Beschäftigung auf ein Rentenniveau von 70 bis 75 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens – in Deutschland sind es eben nur 48 Prozent.
Nachteile: Die niederländische Rente funktioniert gut, wenn Sie mindestens 50 Jahre im Land gelebt und davon mindestens 40 Jahre dort gearbeitet haben. Doch für Einwanderer, Menschen, die zeitweise im Ausland gelebt haben, oder Frauen, die wegen ihrer Kinder weniger gearbeitet haben, gelten satte Abzüge. Zudem gibt es die Grundrente erst ab dem 67. Geburtstag. Wer vorher in Rente gehen will oder muss, kriegt nichts.
2. Island
Island kennt wie Deutschland ein Drei-Säulen-Modell, baut dieses aber anders auf. Erste Säule ist auch hier eine Grundrente in Höhe von bis zu 900 Euro im Monat. Kaufkraftbereinigt entspräche das rund 650 Euro in Deutschland. Die Grundrente wird auf der Insel ebenfalls aus Steuern bezahlt und bei anderem Einkommen eines Rentners gekürzt. Sie soll ähnlich wie die deutsche Grundsicherung nur das Existenzminimum abdecken.
Zweite Säule sind wie in den Niederlanden verpflichtende, kapitalgedeckte Betriebsrenten, in die Arbeitgeber 11,5 Prozent des Bruttolohns einzahlen und Arbeitnehmer mindestens vier Prozent, freiwillig bis zu sechs Prozent. Als dritte Säule gibt es geförderte private Vorsorge. Das funktioniert simpel: Arbeitnehmer dürfen bis zu vier Prozent ihres Bruttolohns in geförderte Fonds einzahlen, Arbeitgeber tragen bis zu zwei Prozent davon ebenfalls bei. Unternehmen profitieren, indem sie dadurch Steuern sparen.
Vorteile: Island erreicht mit seiner Grundrente eine der niedrigsten Altersarmuts-Quoten in Europa: weniger als fünf Prozent. Die meisten Rentner erhalten ein Rentenniveau von 80 Prozent und mehr – deutlich besser als Deutschlands 48 Prozent.
Nachteile: Die Isländer fremdeln damit, dass die Grundrente bei weiterem Einkommen gekürzt wird. Dies würde, so sagen Kritiker, verhindern, dass Menschen zusätzlich vorsorgen – ein ähnliches Argument wird bei uns beim Thema Bürgergeld und Arbeit angeführt. Wie in den Niederlanden gilt zudem auch in Island ein strenges Eintrittsalter von 67 Jahren. Frühverrentungen sind für die meisten Menschen unmöglich. Und wie in den Niederlanden gibt es Nachteile für Einwanderer und im Ausland arbeitende Isländer, die nicht voll in das Rentensystem eingezahlt haben.
3. Dänemark
Dänemark belegt Platz 3 im Mercer-Ranking, verwendet aber im Prinzip dasselbe Rentensystem wie Island. Die Beiträge zu den Betriebsrenten sind hier etwas höher, dafür gibt es weniger geförderte individuelle Altersvorsorge. Das Rentenniveau liegt leicht unter dem isländischen System.
4. Israel
Israel benutzt ein Zwei-Säulen-Modell, das dem niederländischen System ähnelt. Die Grundrente in Höhe von rund 600 Euro gibt es kaufkraftbereinigt. Hinzu kommt eine verpflichtende betriebliche Vorsorge mit einem Beitrag von 18,5 Prozent, also nahe dem deutschen Niveau von derzeit 18,6 Prozent. Das Rentenniveau beträgt so für Menschen mit genug Beitragsjahren bis zu 70 Prozent des Nettolohns. Weil die Grundrente so niedrig ist, ist die Altersarmuts-Quote in Israel aber sogar leicht höher als in Deutschland.
5. Singapur
Der asiatische Tigerstaat geht einen radikal anderen Weg. Singapur zahlt seinen Bürgern keinen Cent Rente. Stattdessen sind diese verpflichtet, selbst vorzusorgen. Kernstück dabei ist der Central Provident Fund, kurz CPF. Hier muss jeder Bürger ein Sparkonto anlegen, auf das Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen bis zu 37 Prozent des Bruttolohns einzahlen. Die Beiträge nehmen mit dem Alter ab. Das CPF-Guthaben wird von einem staatlichen Ministerium angelegt und verwaltet, doch unabhängig davon bekommt jeder Bürger eine jährliche Rendite von bis zu fünf Prozent garantiert. Die Gelder auf dem CPF-Konto dürfen neben der Rente auch für medizinische Ausgaben, einen Immobilienkauf oder die Ausbildung der Kinder verwendet werden. Die so erzielten Rentenguthaben werden ab dem 65. Geburtstag entweder monatlich oder auf einmal ausgezahlt.
Vorteile: Das singapurische System führt zu einer hohen Eigentumsquote im Stadtstaat. Mehr als 90 Prozent der Rentner leben hier in ihrer eigenen Wohnung. Zudem ist die Armutsquote sehr gering. Dadurch, dass jeder für seine eigene Rente verantwortlich ist, gibt es zudem nicht das Problem des demografischen Wandels wie beim umlagefinanzierten deutschen System.
Nachteile: Zunächst sind die Abgaben mit 37 Prozent sehr hoch, was generell die Nettoeinkommen in Singapur drückt. Damit ist das stark individuelle System gut für diejenigen, die viel verdienen und lange arbeiten können. Wer aber krank wird, lange arbeitslos ist oder schlicht sein Leben lang ein niedriges Einkommen hat, der wird mit einer niedrigen Rente bestraft und kann nicht auf die Solidarität der Gesellschaft setzen. Es gibt keine Grundrente, so dass schlimmstenfalls die Altersarmut vorprogrammiert ist.
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