Trump gegen den Anti-Abschiebe-Richter: In den USA beginnt ein Schicksalskampf

In Washington tobt ein Schicksalskampf um das Herz der Demokratie. Es geht um das Prinzip der Gewaltenteilung, und da ist auf der einen Seite Präsident Donald Trump mit dem Ausspruch: „Wer sein Land rettet, verstößt gegen kein Gesetz.“

Die andere Seite markiert Ex-Bundesrichter J. Michael Luttig. „Der Präsident der Vereinigten Staaten hat der Rechtsstaatlichkeit in Amerika im Kern den Krieg erklärt“, warnt der Republikaner-nahe Luttig, den George H.W. Bush einst zum Bundesrichter ernannte und der wenige Jahre später von dessen Sohn George W. Bush fast zum Richter am Obersten Gerichtshof, dem Supreme Court, berufen worden wäre.

US-Justiz kann Trumps Handlungen für ungültig erklären

Das bewährte System der Gewaltenteilung nennt sich in den USA „Checks and Balances“ und sieht eine sehr klare Drittelung der Macht vor: Der Kongress (Legislative) verabschiedet Gesetze, kontrolliert die Bundesfinanzierung und kann Präsidenten oder Richter des Amtes entheben.

Der Präsident (Exekutive) setzt Gesetze durch, befehligt das Militär und hat die Macht, ein Veto gegen Gesetze des Kongresses einzulegen, was wiederum vom Kongress überstimmt werden kann.

Die Justiz (Judikative), an ihrer Spitze der Oberste Gerichtshof, interpretiert Gesetze und kann Handlungen des Präsidenten oder vom Kongress verabschiedete Gesetze für verfassungswidrig und damit für ungültig erklären.

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Über den Autor: Ansgar Graw

Ansgar Graw ist seit März 2020 Herausgeber des Debattenportals "The European". Zuvor war der studierte Historiker und Politikwissenschaftler 22 Jahre in wichtigen Positionen für die Tageszeitung DIE WELT tätig, darunter acht Jahre als politischer Chefkorrespondent in Washington D.C. Graw ist Autor erfolgreicher Bücher, darunter „Die Grünen an der Macht. Eine kritische Bilanz“. Soeben erschien sein Buch „Die Ära Trump. Chancen und Risiken für Amerika und die Welt“.

Trumps Immunitätsanspruch scheitert vor dem Supreme Court

Diese Checks and Balances haben seit 238 Jahren, seit der Verabschiedung der US-Verfassung im Jahr 1787, gut funktioniert, und sie schienen zunächst auch dem alleinherrschaftlichen Anspruch von Trump zu trotzen. Bereits mehrfach stoppten Bundesgerichte und der Supreme Court Anordnungen des Präsidenten seit dessen Wiederwahl im November.

So war Trump im Mai 2024 wegen Fälschungen von Geschäftsunterlagen im Zusammenhang mit Zahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels verurteilt worden; als Trump nach seinem Wahlsieg die Aufhebung des Urteils wegen seiner Immunität als Präsident verlangte, wies Bundesrichter Juan Merchan dies zurück.

Trump rief empört den Supreme Court an, von dessen neun Richtern sechs von republikanischen Präsidenten nominiert worden waren, darunter drei von ihm persönlich in seiner ersten Amtszeit. Vergeblich: Auch der Supreme Court mit dieser republikanischen Zwei-Drittel-Mehrheit entschied gegen den Präsidenten.

Trump ignoriert richterliche Entscheidung zur Abschiebung

Jetzt aber geht Trump einen entscheidenden Schritt weiter. Der Präsident hat sich offenkundig entschieden, richterliche Entscheidungen schlicht zu ignorieren. So geschehen vor wenigen Tagen.

Unter Berufung auf den "Alien Enemies Act" von 1798 hatte Trump die Abschiebung von illegalen Migranten, insbesondere Bandenmitglieder der als terroristische Organisation eingestuften venezolanischen Gang "Tren de Aragua", ohne reguläres Verfahren verfügt.

Unabhängig davon, ob man diesen verschärften Kurs richtig oder falsch findet: Das System der Gewaltenteilung erlaubt die Überprüfung derartiger Maßnahmen durch Gerichte. Ein Bundesrichter in Washington D.C, James Boasberg, sah die Abschiebungen als juristisch nicht gerechtfertigt an.

Das Gesetz von 1798 beziehe sich auf „feindselige Handlungen“, die von einem anderen Land verübt würden und „einem Krieg gleichkämen“, so Boasberg, der die Abschiebung zwecks genauerer Prüfung für 14 Tage per einstweiliger Verfügung stoppen wollte.

Ex-Richter Luttig: Amerika befindet sich in einer Verfassungskrise

Doch ungeachtet dieser gerichtlichen Anordnung setzte die Trump-Regierung die Maßnahmen fort. Zwei Flugzeuge mit insgesamt 238 Migranten an Bord, die bereits gestartet waren, landeten in El Salvador, obwohl der Richter angeordnet hatte, dass die Maschinen umkehren sollten. Ein weiteres Flugzeug startete sogar nach der richterlichen Anordnung und flog ebenfalls nach El Salvador.

„Ups… zu spät“, twitterte höhnisch und mit einem Tränen lachenden Emoji El Salvadors Präsident Nayin Bukele, der zugestimmt hatte, die Bandenmitglieder aus Venezuela in einem seiner Gefängnisse zu inhaftieren. US-Außenminister Marco Rubio repostete den Tweet und bedankte sich bei dem Amtskollegen für dessen „Hilfe und Freundschaft“.

Was bleibt von den Checks and Balances, wenn sich eine der drei Kräfte, Regierungsmacht, Gesetzgeber und Rechtsprechung, den Spielregeln widersetzt?

Laut Ex-Richter Luttig befindet sich Amerika in einer Verfassungskrise. Trump führe „einen Frontalangriff auf die Verfassung, den Rechtsstaat, die Bundesjustiz, das amerikanische Justizsystem und die Anwaltschaft des Landes“, sagte der konservative Jurist dem Sender MSNBC.

Trump bezeichnete Richter Boasberg als „linksradikalen Irren“

Trumps Sprecherin Karoline Leavitt nannte Boasberg hingegen einen „Aktivisten der Demokraten“ und bezeichnete seine Intervention als „eklatanten Machtmissbrauch“.

Doch Boasberg ist alles andere als ein Parteisoldat der Demokraten. Zuerst berief ihn nämlich der Republikaner George W. Bush zum Richter am Superior Court des District of Columbia, dann nominierte ihn 2010 der Demokrat Barack Obama für das Bezirksgericht.

Trump selbst bezeichnete Boasberg gar als „linksradikalen Irren“. Seine eigene Berufung auf den „Alien Enemies Act“ erklärte er damit, dass die seit Jahren anhaltende Einwanderung einem Krieg gleichkomme: „In vielerlei Hinsicht ist es gefährlicher als Krieg, denn im Krieg tragen alle Uniformen. Man weiß, auf wen man schießt, man weiß, wen man verfolgt.“

Seine juristische Argumentation verband Trump mit der Forderung nach einem „Impeachment“: Der Richter solle seines Amtes enthoben werden.

Aussichten auf Boasbergs „Impeachment“ sind gering

Nun ist nicht auszuschließen, dass ein Berufungsgericht Trumps Rechtsauffassung vom „Krieg“ geteilt und die Anwendung des Alien Enemies Act gebilligt hätten.

Aber um diese Frage geht es zunächst gar nicht. Sondern darum, dass beide Parteien in den USA Richter für Bundesgerichte ernennen oder nominieren und bislang auch deren Entscheidungen akzeptieren oder auf der nächsten Ebene, zur Not vor dem Supreme Court anfechten; das System funktioniert nicht, wenn ein Präsident nur noch Richter respektiert, die den Entscheidungen der eigenen Exekutive zustimmen.

Trump Aussichten auf ein „Impeachment“ des Richters Boasberg sind gering: Zwar sind die republikanischen Abgeordneten und Senatoren unter Trump handzahm geworden, aber im Repräsentantenhaus wie im Senat wären Zweidrittel-Mehrheiten nötig, und davon ist die Präsidenten-treue Partei weit entfernt.

Zudem wies John Roberts, der Chief Justice oder Vorsitzende des Supreme Court, Trumps Forderung nach einer Amtsenthebung von Boasberg öffentlich zurück.

„Seit mehr als zwei Jahrhunderten“, erklärte der von den Republikanern nominierte Roberts, „hat sich gezeigt, dass ein Amtsenthebungsverfahren keine angemessene Reaktion auf Meinungsverschiedenheiten über eine gerichtliche Entscheidung ist“. Dafür sei vielmehr das Mittel der Berufung vorgesehen. 

Trump akzeptiert nur Gerichtsentscheidungen, die ihm passen

Aber das Probleme bleibt, wenn Trump, der nicht einmal seine Wahlniederlage 2020 anerkannte und stattdessen einem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol am 6. Januar 2021 kaltblütig zuschaute, auch in Zukunft Gerichtsentscheidungen ignoriert, die ihm nicht passen.

Alexander Hamilton, einer der Gründerväter der USA und einer ihrer ersten Verfassungstheoretiker, schrieb 1788 in seinem „Federalis“-Essay über das Justizministerium, dass die Rechtssprechung „weder Einfluss auf das Schwert noch auf den Geldbeutel“ hat. Man könne „mit Fug und Recht sagen, dass sie weder über Macht noch über Willenskraft verfügt, sondern lediglich über Urteilsvermögen“.

Einen disruptiven Charakter wie Donald Trump im Weißen Haus und damit einen echten Kampf gegen die Demokratie von höchster Stelle aus konnte sich Hamilton offenkundig nicht vorstellen.

*Der Beitrag "Donald Trumps Kampf gegen die Justiz" wird veröffentlicht von The European. Kontakt zum Verantwortlichen hier.