Migration, Steuern, Ampel-Gesetz: An diesen Punkten hängt die Merz-Kanzlerschaft

CDU-Chef Friedrich Merz wollte die Koalitionsverhandlungen schneller, fokussierter, auf das Wesentliche begrenzt halten. Nach knapp zehn Tagen Arbeit in 16 Arbeitsgruppen zeigt sich, dass auch unter ihm die Welt keine andere geworden ist. 

Wo weitgehend Einigkeit herrscht, funktioniert es – zum Beispiel bei den Themen Digitalisierung, Staatsmodernisierung, Europa und Medien. Ruhig und konstruktiv sei es dort gelaufen, heißt es. Diese AGs haben viele strittige Punkte geeint, nur wenige Passagen zur Klärung in die Steuerungsgruppe nach oben gegeben.    

SPD hat in Koalitionsverhandlungen einen Vorteil

In anderen Arbeitsgruppen stockten die Verhandlungen immer wieder, insbesondere in den AGs Innen, Recht & Migration, Arbeit & Soziales und Finanzen. Dabei bemerkten Unions-Verhandler, dass die SPD wegen ihrer Zugänge zu manchen Ministerien mehr Expertise einbringt und deshalb selbstbewusst aufgetreten sei. Zugleich gibt es auf Unionsseite manchen, der mit Blick auf das Wahlergebnis nicht verstehen will, dass die SPD immer wieder überaus selbstbewusst auftritt.  

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Außergewöhnlich lief es bei Haushalt und Finanzen. Hier erklärte der Vorsitzende Matthias Middelberg (CDU) die Verhandlungen schon am Freitag um 11 Uhr für beendet. Allerdings mit der Konsequenz, dass so gut wie alles, was schwierig ist, nicht gelöst wurde. Unionsintern gab es deshalb Kritik am Chef der AG: Middelberg habe viel zu früh aufgegeben, hieß es. 

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Verhandlungspause wegen Ehegattensplitting

Hier ein Überblick zu den Fragen, die von den Parteichefs geklärt werden müssen: 

Ehegattensplitting: Hier hat es heftigen (und demonstrativen) Streit gegeben. Allerdings heißt es mittlerweile, dass die Sozialdemokraten die Verhandlungen nicht für eineinhalb Stunden verlassen hätten, sondern schon nach einigen Minuten via SMS mitteilten, dass sie wieder zurückkehren würden. Änderungen an den aktuellen Regeln wurden bislang nicht beschlossen. In Unionskreisen heißt es, an der Stelle hätte die SPD-Seite vor allem ihre Kampfeslust beweisen wollen.   

Steuerreform: Die Union will die Gewinn- und Ertragsbesteuerung auf maximal 25 Prozent absenken und den Einstieg in die Unternehmenssteuerreform ab 1. Januar 2026 umsetzen, die SPD lehnte dies ab und verlangte im Gegenzug einen Aufschlag bei der Einkommensteuer für Top-Verdiener. Auch bei der Abgeltungsteuer gab es Dissens, die SPD will sie abschaffen, die Union beim pauschalen Satz von 25 Prozent lassen. Immerhin: Beide Seiten sind sich einig, dass der Spitzensteuersatz später greifen soll (ab 80.000 Euro).

SPD sperrt sich gegen „Bett, Seife, Brot“ für Flüchtlinge

Altschuldenregelung für Kommunen: CDU und SPD können sich eine Finanzspritze für die am höchsten verschuldeten Kommunen vorstellen, die CSU will da nur mitmachen, wenn die Reform des Länderfinanzausgleichs im Abschlusspapier angekündigt wird. Dies bleibt nun offenbar strittig.  

Leistungskürzungen: Am Donnerstagabend brach die SPD die Verhandlungen in der AG Innen und Migration ab. Die SPD hält die von der Union vorgeschlagenen Leistungskürzungen für vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber („Bett, Seife, Brot“) für inhuman. Im Gegenzug blockierte die Union eine Ausweitung des Chancenaufenthaltsrechts. Ein Unionsverhandler schäumte, die SPD „will keine Begrenzung der Migration“. Selbst über die einleitenden Sätze im Abschlusspapier sei keine Einigung möglich. Am Sonntagabend, 18 Uhr, setzten sich die Verhandler unter der Leitung von Günter Krings (CDU) und Dirk Wiese (SPD) erneut zusammen. Ende: offen.  

Bürgergeld: Strittig ist neben den Sanktionen für Arbeitsunwillige die Frage, ob ukrainische Geflüchtete im SGB-II-System bleiben oder geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Die bisherige Situation geht zurück auf die „Massenzustromrichtlinie“ der EU, die bis Anfang März 2026 gilt. Ein Kompromiss wäre, bis dahin alles zu lassen wie bisher – oder nur neu ankommende Menschen in das andere System zu überführen. Aus Jobcentern kommt die Forderung, Erwerbsfähigkeit neu zu definieren. Um Bürgergeld zu beziehen, muss man mindestens drei Stunden am Tag arbeiten können. Würde man diese Schwelle anheben, würde zumindest das SGB-II-Budget entlastet werden. 

SPD will Grünen-Idee für Ernährung aufgreifen

Werbeverbot für Zucker und Fette: Die SPD brachte in die AG Ländliche Räume, Ernährung, Landwirtschaft die einstige Grünen-Idee aus der Ampel ein, die Werbung für zucker- und fetthaltige Produkte einzuschränken. Die Union lehnte ab. Auch in der AG Medien sei das Thema aufgekommen, ebenfalls ohne Zustimmung der Union.  

Medienförderung: In der AG Kultur und Medien brachte die SPD die Idee eines Medieninnovationsfonds ein, der Medienhäuser bei der Transformation unterstützen soll. Die Union lehnte ab, sie will verhindern, dass eine Kulturstaatsministerin oder ein Staatsminister entscheiden kann, welche Medien unterstützt werden und welche nicht. Eine Zustellförderung für Verlage ist ebenfalls vom Tisch.  

Union will Ampel-Gesetze zurückdrehen

Heizungsgesetz & Klimageld: Die Union beharrt darauf, die jüngste Novelle des Gebäudeenergiegesetzes wieder rückgängig zu machen und eine neue Förderung für die energetische Sanierung von Häusern und Wohnungen zu schaffen. Das Klimageld kommt bisher im Abschlusspapier nicht vor, die künftig weiter steigenden CO₂-Einnahmen sollen „an die Bürger zurückgegeben werden“. Details stehen im Entwurf nicht. Auch die Sektorziele beim Klimaschutz werden nicht wieder eingeführt, heißt es. Auf der SPD-Seite kämpft Umweltpolitikerin Nina Scheer weitgehend allein gegen die Union, die eine nationale Klimaschutzpolitik für naiv hält. Mit Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies als Verhandlungsführer und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke sind im SPD-Team die stärksten Verhandler nicht gerade als ambitionierte Klimapolitiker bekannt.  

Familie, Frauen, Diversität: Es ging um Gesellschaftspolitik und es ging um Grundsätzliches. Und deshalb gibt es keine Einigkeit beim Selbstbestimmungsrecht, für das die queere Community kämpft, und bei der Anerkennung der Geschlechtsidentität. Auch das kostenlose Mittagessen an allen Schulen und Kitas, für das sich der Bürgerrat Ernährung mit höchster Priorität ausgesprochen hatte, bleibt strittig. 

Verteidigung, Außen & Entwicklung. Strittig ist nach wie vor das Finanzvolumen für die Entwicklungszusammenarbeit und die Humanitäre Hilfe. Die Union will spürbar sparen, die SPD hält die Nord-Süd-Politik für einen integralen Bestandteil deutscher Außenpolitik.  

Bildung & Forschung: Die Union will die Kosten für den Darlehenszuschuss beim Bafög absenken, die SPD den Anteil der Darlehensempfänger wieder anheben. Unstrittig ist ein besonderes bayrisches Anliegen: die Förderung der Kernfusion. 

19 Personen sollen die letzten Konflikte lösen

Bis Montag um 17 Uhr müssen die AG-Koordinatoren ihre Papiere bei den Chef-Verhandlern einreichen. An dieser Deadline soll auf jeden Fall festgehalten werden – egal, wie weit die Gruppen bis dahin gekommen sind. Alles, was nicht geeint ist, geht an die 19-köpfige Spitzengruppe. Angesichts der zahlreichen Konfliktthemen wird diese voraussichtlich noch einmal Untergruppen bilden. Ob die Verhandlungen bis Ostern abgeschlossen sind, scheint fraglich.  

Von Horand Knaup, Maximilian Stascheit, Michael Bröcker, Okan Bellikli, Peter Fahrenholz, Stefan Braun

Das Original zu diesem Beitrag "Koalitionsverhandlungen: Wo es gut geht, wo es klemmt, wer wie im Zeitplan ist" stammt von Table.Briefings.