Mit dieser Personalie hat Annalena Baerbock ein politisches Beben ausgelöst: Die Noch-Außenministerin soll Präsidentin der UN-Generalversammlung werden. In Berlin stößt das auf Verwunderung, in Diplomatenkreisen auf deutliche Kritik – und in den Medien auf eine breite Debatte über Stil, Timing und ihre vielzitierte „feministische Außenpolitik“.
Doch wie kam es überhaupt zu der umstrittenen Besetzung?
Die Entscheidung kam für viele in Berlin überraschend. Der Posten war seit Sommer 2024 fest an die erfahrene Spitzendiplomatin Helga Schmid vergeben – das Bundeskabinett hatte ihre Nominierung bereits beschlossen. Schmid, international bestens vernetzt, hatte laut Medienberichten bereits Gespräche mit rund 100 Staaten geführt, um sich auf die neue Aufgabe vorzubereiten.
Das Baerbock-Manöver: Schnell und diskret
Doch nur wenige Wochen nach der verlorenen Bundestagswahl leitete Baerbock offenbar ein kurzfristiges Manöver ein. Sie setzte durch, dass die Bundesregierung stattdessen sie selbst für den Posten in New York nominiert. Ihre Begründung fiel knapp aus: „Eine starke politische deutsche Besetzung“ sei „ein wichtiger Baustein für unsere Kandidatur um einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat 2027/28“, schrieb sie in einer Mail an ihren Grünen-Landesverband.
Der Wechsel wurde laut Informationen des „Spiegels“ wohl schnell und mit hoher Diskretion vorbereitet. So sprach Baerbock offenbar zunächst mit Noch-Kanzler Olaf Scholz und später mit Friedrich Merz, dem voraussichtlichen Nachfolger. Beide gaben offenbar schnell grünes Licht – Scholz aus persönlichem Entgegenkommen, Merz mit dem Argument, ein politisches Schwergewicht könne Deutschlands Position bei der UNO stärken.
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Wie aus der „Spiegel"- Recherche hervorgeht, informierte das Auswärtige Amt die übrigen Ministerien wohl erst kurz vor der Kabinettsentscheidung über die anstehende Personalie. Baerbocks Staatssekretärin Susanne Baumann schickte ein Schreiben mit dem Hinweis, die Entscheidung vom Vorjahr werde „ersetzt“. Am Nachmittag folgte offiziell die Benennung Baerbocks als Kandidatin.
„Ist das feministische Außenpolitik?“
In der diplomatischen Fachwelt stößt das Vorgehen auf deutliche Kritik. Helga Schmid, so heißt, sei genau die erfahrene Expertin, die man für eine solch internationale Rolle brauche. Ihre Abberufung wurde daher vielerorts mit Unverständnis aufgenommen.
Auch politisch hagelte es schnell Widerspruch. Christoph Heusgen, bis vor kurzem Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, sprach mit Blick auf die ausgebootete Schmid im „Tagesspiegel" von einer „Unverschämtheit“ – und stellte die rhetorische Frage: „Ist das feministische Außenpolitik?“. Baerbock bezeichnete er als „Auslaufmodell“. Auch aus der SPD kam Kritik: Ex-Außenminister Sigmar Gabriel sagte dem „Tagesspiegel", Schmid sei „eine großartige Diplomatin“. „Frau Baerbock kann viel von ihr lernen.“
FDP-Politiker Michael Link kritisierte außerdem sowohl den „Zeitpunkt der Bekanntgabe“ als auch den „Stil des Deals um Annalena Baerbocks gewünschte Top-Verwendung bei der UN“. Beides werfe kein gutes Licht auf Deutschlands internationale Personalpolitik.
Neuer Posten, symbolische Aufgaben
Tatsächlich ist das Amt der Präsidentin der UN-Generalversammlung vor allem symbolisch. Die Rolle ist auf ein Jahr begrenzt, hat keinen direkten Einfluss auf Resolutionen oder Entscheidungen des Sicherheitsrats. In der Praxis bleibt der UN-Generalsekretär das Gesicht der Organisation.
Doch eines steht fest: Baerbock bleibt auf der internationalen Bühne präsent – trotz des anstehenden Regierungswechsels. Und der Weg dorthin zeigt einmal mehr: In der Politik zählen nicht nur Lebensläufe, sondern auch strategisches Timing und die richtigen Hebel zur richtigen Zeit.